Unternehmen „Querdenken“ – Wirtschaftsfaktor Krise
Bald ein Jahr leben wir in Deutschland mit der Corona Pandemie. Von Beginn an war der Umgang mit der Pandemie und deren Bekämpfung kontrovers.
Aschermittwoch 2020 – Stunde Null für Deutschland
Es war am 25. Februar des letzten Jahres, Karnevalsdienstag, als Landrat Stephan Pusch offiziell den Fall einer Corona-Infektion im Kreis Heinsberg bestätigte. Aschermittwoch blieben Schulen und Kitas geschlossen. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Weder bei der Infektion im Kreis Heinsberg, noch bei den Schul- und Kitaschließungen.
Der Lauf der Dinge schlug genau den Weg ein, den man von einer pandemischen Entwicklung erwarten würde. Das Virus breitete sich im ganzen Land, ja gar über den gesamten Kontinent, aus.
Maßnahmen mussten her. Was bei uns in Heinsberg von der ersten Stunde Tagesprogramm war galt bald im ganzen Land. Schulen und Kitas dicht, Geschäfte, Restaurants und Co folgten schnell. Das Land schwebte zwischen Toilettenpapier-Hysterie und Wellen aus Solidarität und Hilfsbereitschaft.
Das Land der Dichter und (Quer-)Denker
So schnell wie Maßnahmen beschlossen waren, standen auch schon die Kritiker auf der Matte. Prinzipiell ist an Kritik ja nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, Kritik ist der Nährstoff der Verbesserung. Was sich aus verunsicherten Geschäftsleuten und Kreativen, die mit berechtigen (Existenz-)Sorgen auf sich aufmerksam gemacht haben, entwickelt hat, ist auf einem völlig neuen Level der Unverständlichkeit.
Gerade der in den letzten Jahren oft schon geschundene Begriff der „Fake-News“, besonders der gezielten Falschinformationen, bekam eine gänzlich neue Größe. Waren es Anfang April noch viele einzelne Gruppierungen die zu vielzähligen und diversen Themen protestierten, kristallisierte sich Richtung Sommer die sogenannte „Querdenken“ Bewegung als Zugpferd heraus.
Gegründet wurde sie von Michael Ballweg in Stuttgart. Der IT-Unternehemr machte besonders durch seine Forderung nach Bundestagsneuwahlen im Oktober 2020 überregional auf sich aufmerksam. Bejahte er zunächst, mit den Bildern aus Italien im Hinterkopf, die Corona-Regeln in Deutschland änderte sich seine Position zügig zu einem der massivsten Kritiker. Endgültig vollzogen war die Verwandlung zum Verwörungsmythiker mit einem Post Ballwegs der Bill Gates als Adolf Hitler zeigte.
Nicht nur Ballweg, die gesamte „Querdenken“-Bewegung schickte sich nunmehr an, nicht nur die Maßnahmen gegen die Pandemie abzulehnen. Schlimmer. Von Bill Gates, der mit Impfungen die gesamte Menschheit chipen wollen würde, über Merkel, die Deutschland in eine Diktatur führen würde wurde fortan alles propagandiert was die Schattenseiten des World Wide Web zu bieten haben. Auch das gemeinsame Aufmarschieren mit Neonazis stellt für QuerdenkerInnen offensichtlich kein Hindernis dar. Berichte darüber gab es genug.
Der Wirtschaftsfaktor Krise
In einer Krise gibt es Leid. Wo es Leid gibt, gibt es einen der seinen Vorteil daraus zieht. So war es immer und so ist es heute. Hier: Michael Ballweg.
Wie geschäftstüchtig Ballweg trotz seines intensiven Einsatzes für „Querdenken“ doch ist, wurde letzt im Dezember noch einmal unmissverständlich klar.
Behauptete er jüngst noch wieder in einer Pressemitteilung, er lebe lieber in einer freien Welt ohne Geld als in einer unfreien Welt mit viel Geld.
Dabei hat Michael Ballweg im Zusammenhang mit „Querdenken“ Geschäfte mit Firmen gemacht, von denen er persönlich profitiert hat. Das zeigen gemeinsame Recherchen von netzpolitik.org und dem ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann.
Viele JournalistInnen hatten diese Machenschaften schon früh erkannt, doch jetzt wurde es endlich breitenwirksam öffentlich.
Häufig tritt Ballweg dabei im Zentrum der Initiative auf, obwohl er alleine agiert. Bis heute hat „Querdenken-711“ keine festgelegte Rechtsform: Es gibt keinen eingetragenen Verein, keine Stiftung, keine Firma, nur Michael Ballweg selbst. Mit einem Unternehmer aus Baden-Württemberg schloss er einen Vertrag ab, der ihm wohl 20.000 Euro einbringen sollte. Auch an Einnahmen durch „Querdenken“-Fanartikel, die in ganz Deutschland verkauft werden, ist er beteiligt, während lokale Ableger der Initiative leer ausgehen.
In Interviews stellt Ballweg „Querdenken“ als Initiative dar, bei der alle mitreden dürfen. Es handele sich dabei um eine „demokratische Bewegung“, sagte er dem RBB. Dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen erzählte er, „Querdenken“ sei eine Organisation ohne Spitze. Jedoch deutet einiges darauf hin, dass Ballweg selbst diese Spitze ist. Seit Monaten kontrolliert der Mann, den niemand gewählt hat, was unter dem Namen von „Querdenken“ geschieht. (netzpolitik.org)
In einem professionellen Online-Shop verteibt Ballweg etwa 69 Produkte. Jacken, Shirts, Aufkleber. Im Hintergrund eine Firma aus NRW, die auch auf Telegram fleißig die Werbetrommel für die Merchandise Produkte rührt. Für viele Ableger der „Querdenken“ Bewegung kann man mittlerweile online den passenden Merch kaufen. Das Geld geht jedoch immer nach Stuttgart, zu Ballweg.
Doch nicht nur die Einnahmen aus Merchandise-Artikeln spülen Ballweg Geld in die Kasse. Das offizielle Spendenkonto von „Querdenken“, das unter anderem im Internet angegeben wird, läuft auf seinem Namen. Er selbst bestätigte, dass es sich dabei um ein privates Konto handle. Alles genau auszuführen wäre zu viel für diesen Artikel. Wer sich sämtliche Fakten zu Gemüt führen mag checkt am besten mal die Seite von netzpolitik.org oder gibt sich die Folge vom ZDF Magazin Royale vom 18. Dezember 2020.
Ähnlich undurchsichtig wie die Finanzen von „Querdenken“ sind auch die Strukturen innerhalb der Bewegung. Sie besteht eigentlich aus vielen lokalen Gruppen, die eigenständig agieren sollen. Faktisch stellt sich das ganze jedoch anders dar. Ein klassisch hierarchischer Aufbau mit Ballweg an der Spitze.
Deutlich wird das auch, wenn man sich die Tatsache anschaut, dass er beim Deutschen Patent- und Markenamt „Querdenken“ als Marke angemeldet hat. Zahlreiche Wortmarken gehören heute Ballweg, neben Stuttgart auch Berlin oder Hamburg. Etwa 19 Marken soll Ballweg angemeldet haben, verschiedene Medien berichteten hierzu.
Auch Gagen für seine Auftritte soll Ballweg laut verschiedenen Berichten verlangen. Vierstellige Summen sind hierbei im Gespräch.
Doch nicht nur so wird Geld generiert. Auch der Weg zu und von den Demos der „Querdenken“-Bewegung gehört zur Wertschöpfungskette.
Ein Aussteiger berichtete in Interviews, dass bei Fahrten im August des vergangenen Jahres mit Fahrten zu zwei Demonstrationen knapp 800.000 Euro umgesetzt wurden. Der Busunternehmer, hatte sich aufgrund der fortschreitenden Vermischung mit der Reichsbürgerszene zurückgezogen. Inwieweit hier jedoch eine finanzielle Verbindung zu „Querdenken“ besteht konnte noch nicht ermittelt werden.
Wie umgehen mit der Bewegung?
Es ist ja nicht nur so, dass „Querdenken“ eine persönliche Bereicherungs-Maschinerie ist. Viele der DemonstrantInnen sagen, es gehe ihnen um ihre Freiheitsrechte. Darum, dass Kinder unter der Maskenpflicht leiden würden. Die meisten sagen aber auch, dass Corona eine „Lüge” sei, nicht schlimmer als eine Grippe. Manche behaupten, die zahlreichen Toten wären durch Impfstoffe und 5G-Strahlung bedingt, andere sagen, die „Pandemie” sei nur erfunden worden von mächtigen Eliten, die uns kontrollieren wollen. All das entspricht nicht den Fakten. Es sind verschwörungsideologische Annahmen, die medizinischen Erkenntnisse leugnen und nicht selten mit antisemitischen und rechtsextremen Ideologien verwoben sind.
Wenn Menschen auf die Straße gehen, die eine globale Pandemie leugnen, dann ist das gefährlich. Nicht nur, weil sie sich gegenseitig mit einem tödlichen Virus anstecken. Nein, es ist auch gefährlich, weil es Grundfesten einer demokratischen Gesellschaft angreift.
Wenn man sich also fragt wie soll man damit umgehen, kann die Antwort nur eine sein: nicht schweigen. Nicht Teil des Problems werden und trotzdem den Mund aufmachen. Pseudo-Argumente entkräften und mit Fakten aufwarten. Sensibilisieren.
So wie wir zusammen keinen Fuß breit dem Faschismus geben, muss dieses Motto auch für Verschwörungsmythen gelten. Wie eigentlich für alles, das ein freiheitliches, demokratisches und soziales Zusammenleben in unserer Gesellschaft angreift.